Kronzeuge im Fall Hanno Berger

„Wir waren gierig“
Berger und sein Ziehsohn begleiteten gemeinsam Cum-Ex-Deals. Nach der Durchsuchung ihrer Kanzlei floh Hanno Berger in die Schweiz, sein Partner wurde Kronzeuge. Heute trafen sie sich vor dem Bonner Gericht.


Kaum erscheint der schlanke 50-jährige Ziehsohn (ZS) in seinem schmal geschnittenen dunklen Anzug im Raum, wird er schon von Hanno Berger ins Visier genommen. Unentwegt fixiert Berger seinen einzigen ZS, der jetzt hier im Gerichtssaal Kronzeuge ist, mit seinen Blicken. Doch dieser schaut nur gerade aus.
2001 lernten sich die beiden in der internationalen Großkanzlei Shearman & Sterling kennen. Berger war schon Staranwalt, sein ZS gerade Berufsanfänger. Gemeinsam wechselten sie in einer andere Kanzlei, 2010 machten sie sich selbstständig. Mit Cum- Ex Geschäften verdienten sie Millionen. Die Beteiligten ließen sich dabei Steuern erstatten, die sie gar nicht gezahlt hatten. Der Ziehsohn über ihre damalige Selbsteinschätzung : „Wir dachten, wir wären die Größten.“ 2012 wurde ihre Kanzlei durchsucht. Berger floh in die Schweiz. Sein ZS versuchte eine gemeinsame Verteidigungslinie zu halten. 2014 standen acht Beamten seinem Haus. Frau und Tochter weinten, als die Ermittler stundenlang nach Beweisen für Steuerhinterziehung suchten.


2015 wechselte der Ziehsohn die Anwälte; 2016 kam zu einem vorerst letzten Treffen mit Berger. Am Flughafen Zürich wurde über den Kampf gegen den Staat beraten. Die ermittelnde Staatsanwältin sollte angezeigt werden. Bergers Anwälte sprachen von einer Phalanx, die man halten müsse. Kehrtwende aus Partnern wurden Feinde.


Während sein Ziehsohn im Zeugenstand seine Geschichte erzählt, sitzt Berger wenige Meter neben ihm auf die Anklagebank und macht sich fortlaufend Notizen. Immer wieder schüttelt er den Kopf, schaut zu seinem Ziehsohn, tuschelt mit seinem Anwalt. Fast scheint es, als könnte Berger immer noch nicht fassen, dass sein ZS sich gegen ihn gewandt hat. Seit Anfang April 2022 sitzt Berger in Bonn auf der Anklagebank. Dem früheren Staranwalt werden Betrug und Steuerhinterziehung in Höhe von mehr als 270 Millionen € vorgeworfen. Er war an Cum- Ex- Deals der Hamburger Privatbank M. M. Warburg beteiligt.
Es geht um den Eigenhandel der Bank in den Jahren 2007-2011 und zwei Fonds der Bank Tochter Warburg Invest. Dem ehemaligen Steueranwalt drohen bis zu 15 Jahre Haft. Auch der Ziehsohn ist beschuldigt. Laut Staatsanwaltschaft haben Berger und er gemeinsam allein in dem Warburg Komplex 27,3 Millionen € verdient. Nun fordert der Staat das Geld zurück. Berger windet sich. Sein Anwalt erklärte kürzlich vor Gericht, Berger habe kaum mehr Aktiv Vermögen. Seine Tochter sei zwar bereit, ihren Vater zu unterstützen, doch ihre Mittel seien begrenzt. Berger habe sein Geld unglücklich ausgegeben.


An diesem Montag schildert der Zeuge ZS vor Gericht vor allem die Geschichte eines Irrwegs. Er kommt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Seine Mutter war Hausfrau, sein Vater hatte einen kleinen Heizungsbetrieb. ZS hat zwei jüngere Geschwister. Die Familie lebt im ländlichen Friesland. Er wollte raus aus dieser Provinz. Der Weg waren die Rechtswissenschaften; er studierte Wirtschaftsrecht in Osnabrück. Der junge Mann beeilte sich, legt nach acht Semestern ein exzellentes erstes Examen hin und fiel damit Georg Thoma auf, einem von Deutschlands einflussreichsten Wirtschaftsanwälten. 2001 begann der Ziehsohn seine Karriere in dessen Kanzlei. Er stieg auf in die Welt der Millionen und Milliarden. Bis Cum- Ex ihn einholte. 2015 wollte er sich das Leben nehmen. Ich war so weit, daß ich Schluss machen wollte , sagt er jetzt vor dem Bonner Gericht. Die Scham, die Schande waren zu viel. Ich habe immer eine sehr hohe Meinung von sich gehabt, sagt der Kronzeuge. Ein gesteigertes Selbstwertgefühl. Und er sei geldfixiert gewesen. Wir wurden korrumpiert. Wir waren gierig. Wir wollten immer mehr Geld, berichtet er jetzt vor Gericht über diese Zeit. 2015 stellten ihm seine neuen Anwälte eine dunkle Prognose.


Das, was er ihnen bisher geschildert habe, sehe nach organisierter Kriminalität aus. Erinnert sich der Ziehsohn an ihre Worte. Es liege ein langer, schwieriger Weg für ihn, wohlmöglich mit einer Gefängnisstrafe. ZS dankt seinen Anwälten und seiner Familie, dass sie ihn vor seinen Selbstmordgedanken abgebracht hätten. Schwierig bleibt seinen Weg trotzdem. Vor drei Wochen sagt er, habe ihn eine neue Strafanzeige erreicht. Die kam aus dem Umfeld der Warburg Bank und wirft ihm Parteiverrat vor. Er sei schließlich ihr Anwalt gewesen, sagte der Ziehsohn. Seine Aussage in Gerichtssälen landauf, landab verstießen gegen das Anwaltsgeheimnis.


Wahrscheinlich gibt es keinen anderen Cum-Ex Anwalt in Deutschland, der so viele Stunden zur Aufklärung des Skandals beigetragen hat wie er. Es mehr als 1000 Stunden seien es bisher wohl gewesen, sagt der Zeuge. Der Großteil viel auf Vernehmungen, ZS saß aber auch schon in vier Prozessen im Zeugenstand. Jedes Mal wenn ich den Gerichtssaal verlasse, passiert irgendwas. Es hagelt Strafanzeigen, Beschimpfungen, Drohungen. Ob er wisse, mit wem er sich hier anlege, sei ein Satz gewesen, den er schon sehr oft gehört habe. Schläger aus Osteuropa seien schon für wenige Tausend Euro zu haben. Ihm sei schon Polizeischutz angeboten worden. Freunde rieten ihm zu einem Waffenschein. Der Zeuge lehnte beides ab. Rund 50 Zuschauer sind im Saal, als der Zeuge seine Geschichte erzählt. Keiner hört ihm so aufgeregt zu wie Hanno Berger. Seite um Seite schreibt er in seinen Block und reißt sie mit lautem Geräusch ab und legt sie beiseite. Wieder und wieder stupst er seinen Verteidiger an, der neben ihm sitzt, und redet auf ihn ein. Der schaut meist weg. Bergers Anwälte haben in den vergangenen Monaten viel Zeit damit verbracht, ihn zur Ruhe anzuhalten. Oft gelingt das nicht.

Als sein Ziehsohn die Episode von Dieter Lübbehüsen erzählt, hält es seinen einstigen Mentor kaum auf dem Stuhl. Lübbehüsen sei wie Berger aus der Finanzverwaltung gekommen und habe als Counsel in Bergers Kanzlei gearbeitet. Ständig habe er Informationen aus der Finanzverwaltung in die Steuerthemen von Berger eingebracht. Aber niemals, so der Ziehsohn, habe Lübbehüsen ein Cum- Ex Gutachten unterschrieben. Er erinnert sich an seine Worte: „Die Finanzverwaltung mag das nicht.“ In diesem Moment springt Berger fast auf. Er wirft seinen Stift auf seinen Block, schüttelt den Kopf, schaut seinen Ziehsohn direkt an und beginnt zu sprechen. Laut genug, um seine Anwälte zu ärgern – zu leise, als dass es die Zuschauer hören könnten. Der Ziehsohn, links und rechts einen eigenen Anwalt neben sich, schaut nicht ein einziges Mal in die Richtung seines Ziehvaters. Später berichtete der Kronzeuge von einer dramatischen Erpressung.

Im Frühjahr 2009 meldete sich ein Investor Weinberger. Der Ziehsohn und Berger hätten ihn übers Ohr gehauen, habe er gehört. Er erwarte 10 Millionen €, sonst mache er die Sache öffentlich. Berger habe dann 13 Nachrichten auf die Mailbox des Erpressers gesprochen, so der Ziehsohn. „Wir waren tagelang in Panik.“ „Der Erpresser habe gedroht eine Rockergruppe zu schicken, falls das Geld nicht fließt.“ Der Ziehsohn war auf dem Weg in den Urlaub auf Rügen. „Es war der schlimmste Urlaub, den ich je gemacht habe, schloß der Ziehsohn von Hanno Berger sein Statement.

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Unternehmer & Macher und Hall of Fame in 2020 (Sachwerte)